Was tun mit „Ewigkeits“-Chemikalien? Eine Gratwanderung

Extrem stabile Kohlenstoff-Fluor-Verbindungen, sogenannte PFAS, bereiten der Gesellschaft Kopfzerbrechen. Ein Verbot der problematischen Stoffe hätte allerdings ernste Auswirkungen auf die Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln und Medizinprodukten.

Die Abkürzung PFAS steht für Poly- und Perfluoralkylsubstanzen, eine Chemikaliengruppe, die mehrere tausend chemisch hergestellte Verbindungen umfasst. PFAS werden zum Beispiel zur Antihaft-Beschichtung für Pfannen verwendet.

PFAS sind besonders stabil und beständig und werden daher auch als „Ewigkeits-Chemikalien“ bezeichnet. Da sie de fakto nicht abbaubar sind, lagern sich die Substanzen in der Umwelt ab und werden von Menschen und Tieren aufgenommen. Dabei können sie sich im Körper anreichern. Studien weisen darauf hin, dass bestimmte PFAS die Leber, das Hormon- und das Immunsystem schädigen, den Fettstoffwechsel stören und die Wirkung von Impfungen verschlechtern können. Es gibt auch Hinweise darauf, dass durch PFAS das Geburtsgewicht sinken, die Fruchtbarkeit verringert oder die Entstehung von Krebs begünstigt werden kann.

Behörden in Dänemark, Deutschland, den Niederlanden, Norwegen und Schweden arbeiteten einen Vorschlag zur Beschränkung von rund 10.000 PFAS-Substanzen aus und reichten diesen im Jänner 2023 bei der europäischen Chemikalien-Agentur ECHA ein. Während der darauf folgenden sechsmonatigen Konsultation gingen 5.642 Kommentare von Einzelpersonen und Organisationen ein. Die ECHA bespricht derzeit mit jenen fünf Behörden, die den Vorschlag auf Beschränkung eingereicht haben, die weitere Vorgangsweise.

Das laufende Verfahren könnte bis 2027 zu einem Verbot aller PFAS mit sehr begrenzten Ausnahmeregelungen führen.

Verfügbarkeit von Medikamenten sicherstellen

Die Herausforderung besteht darin, die problematischen Substanzen zu regulieren, ohne die Verfügbarkeit wichtiger Medikamente, von Gesundheitsprodukten und Gesundheitstechnologien negativ zu beeinflussen. Diese heikle Situation erfordert einen pragmatischen Ansatz, der die vielfältigen Anwendungen und Bedürfnisse unterschiedlicher Branchen berücksichtigt.

In verschiedenen industriellen Anwendungen sind die einzigartigen Eigenschaften von PFAS unverzichtbar, insbesondere in gesundheitsbezogenen Bereichen.

EFPIA, die europäische Vereinigung der pharmazeutischen Industrie, machte im September 2023 darauf aufmerksam, dass die vorgeschlagene Beschränkung bei der Verwendung fluorierter Substanzen zu einer „großflächigen Einstellung der Arzneimittelherstellung“ führen würde. Die Produktion von 600 lebenswichtigen Medikamenten sei gefährdet.

PFAS spielen bei der Herstellung von Medikamenten eine wichtige Rolle, wobei zu berücksichtigen ist, dass nicht alle PFAS dieselben gefährlichen Eigenschaften haben. Die aktuell in Arzneimitteln verwendeten PFAS haben kein oder nur ein geringes Risiko, das überdies im Rahmen von Nutzen-Risiko-Prüfungen und Umweltrisikoverfahren streng bewertet werde, so die EFPIA.

Die EFPIA gab zu dem Beschränkungsvorschlag der genannten fünf Nationen eine Stellungnahme ab, die unter anderem auf folgende befürchtete Auswirkungen hinweist:

  • Wird die Beschränkung wie vorgeschlagen umgesetzt, so sind davon mindestens 47.677 weltweite Marktzulassungen betroffen, wobei eine beträchtliche Anzahl kritischer Arzneimittel nicht mehr verfügbar sein könnte, was den Zugang der Menschen zu Arzneimitteln beeinträchtigt.
  • Mehr als 600 Arzneimittel aus der WHO-Liste der unentbehrlichen Arzneimittel, die verschiedene pharmakologische/therapeutische Gruppen abdecken, sind gefährdet.
  • In Norwegen könnten 78% der Produkte aus der Gruppe der kritischen Arzneimittel betroffen sein, in Finnland 74%, in Schweden 73%, in Frankreich 72% und in Deutschland 60%.

Zu befürchten seien schwerwiegende Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit in Europa und außerhalb Europas, sowie auf die europäische Wettbewerbsfähigkeit, auf den Wettbewerb im Binnenmarkt, auf Innovation und auf die gesamte Handelsbilanz.

Der Ersatz von PFAS werde, so die EFPIA, durch die Verfügbarkeit, die technische Anwendbarkeit und die ökologischen Kompromisse von Alternativen begrenzt.

Strategien mit Weitblick

Der Blick nach vorn sollte aus Sicht der IGEPHA die Zusammenarbeit von Regulierungsbehörden, Branchenvertretern und der wissenschaftlichen Gemeinschaft im Fokus haben. Es muss ein Ansatz gefunden werden, der die Verwendung schädlicher PFAS einschränkt, aber zugleich die Herstellung und Verfügbarkeit von Arzneimitteln in Europa sicherstellt.