Millionen Menschen leiden unter moderner Sklaverei – ein untragbarer Zustand. Die EU greift jetzt durch und will Produkte verbieten, die durch Ausbeutung von Arbeitenden entstanden sind.
Im Jahr 2021 waren nach Schätzungen der EU 27,6 Millionen Menschen weltweit von Zwangsarbeit betroffen, der Großteil lebt in Asien und im Pazifikraum. Ein Viertel der unter Zwangsbedingungen Arbeitenden sind Kinder.
Die Zahlen der modernen Sklaverei sind seit 2014 sogar gestiegen – ein Drama, das nicht mit den europäischen Vorstellungen von Menschenrechten vereinbar ist.
Das EU Parlament hat einem Verordnungsvorschlag zugestimmt, wonach Produkte, bei deren Entstehungsprozess Zwangsarbeit beteiligt war, vom Markt genommen werden müssen. Es wird erwartet, dass die Verordnung im September 2024 veröffentlicht wird, die EU-Mitgliedsstaaten haben dann drei Jahre Zeit, mit der Anwendung der neuen Regeln zu beginnen.
Was regelt die Verordnung?
Die Verordnung verbietet, dass in Zwangsarbeit hergestellte Produkte auf dem EU-Binnenmarkt in Verkehr gebracht, bereitgestellt oder exportiert werden. Dieses Verbot wird sowohl für Produkte aus der EU als auch solche aus Drittstaaten gelten.
Wer prüft, ob Zwangsarbeit in der Produktion vorlag?
Die Verordnung sieht vor, dass die EU-Kommission und die Behörden in den Mitgliedsstaaten nachweisen müssen, dass ein Produkt aus Zwangsarbeit stammt. Dafür dürfen die zuständigen Institutionen Ermittlungen bei den Unternehmen anstellen. Bei Verdachtsfällen außerhalb der EU wird die Kommission die Untersuchungen leiten. Hinweise auf Zwangsarbeit sollen künftig über ein zentrales EU-Portal gemeldet werden können.
Werden alle Unternehmen gleichermaßen geprüft?
Im Visier der Behörden werden vor allem jene Produkte, Wirtschaftszweige und Unternehmen stehen, die exponiert für das Risiko der Zwangsarbeit sind. Einen weiteren Schwerpunkt bei den Untersuchungen sollen Produkte aus Regionen bilden, die bekannt für staatlich auferlegte Zwangsarbeit sind. Gemäß diesem risikobasierten Ansatz soll eine Priorisierung auf schwere Fälle stattfinden.
Was geschieht, wenn sich der Verdacht der Zwangsarbeit in der Lieferkette erhärtet?
Hersteller von Waren, deren Vertrieb aufgrund von Zwangsarbeit untersagt wurde, müssen ihre Produkte vom EU-Binnenmarkt nehmen und sie spenden, recyceln oder zerstören. Kommt ein Unternehmen diesem Auftrag nicht nach, so droht eine Geldstrafe.
Die Waren können wieder auf dem EU-Binnenmarkt zugelassen werden, sobald das Unternehmen Zwangsarbeit aus seinen Lieferketten beseitigt hat.
Eine Sonderregelung bezieht sich auf kritische Produkte, die in Zwangsarbeit hergestellt wurden. Dazu zählen z. B. bestimmte Arzneimittel oder Arzneimittelwirkstoffe. Diese müssen nicht zwangsläufig entsorgt oder zerstört werden, stattdessen kann die zuständige Behörde das betroffene Unternehmen auffordern, das Produkt zurückzuhalten, bis nachgewiesen werden kann, dass die Zwangsarbeit beseitigt wurde.
Eine weitere Regelung sieht vor, dass nicht das ganze Produkt zerstört werden muss, wenn nur ein Bestandteil von Zwangsarbeit betroffen ist. Dann muss nur diese Komponente aus dem Verkehr gezogen und ausgetauscht werden.
Wie kann man als Self Care Unternehmen selbst überprüfen, ob in der Lieferkette das Risiko von Zwangsarbeit besteht?
Die EU-Kommission hat angekündigt, dass eine Datenbank mit überprüfbaren und regelmäßig aktualisierten Informationen über Zwangsarbeitsrisiken eingerichtet wird. In diese Datenbank sollen auch Berichte internationaler Organisationen, beispielsweise der Internationalen Arbeitsorganisation ILO, einbezogen werden.
Spezielle Leitlinien sollen bei der Interpretation der Verordnung helfen, diese Erläuterungen sind insbesondere für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) vorgesehen. Best Practice Verfahren zur Beseitigung von Zwangsarbeit in der Lieferkette sollen bereitgestellt werden.
Müssen auch kleine Unternehmen damit rechnen, überprüft zu werden?
Grundsätzlich sind alle Hersteller und Importeure von der neuen Verordnung betroffen. Es ist aber davon auszugehen, dass der Fokus der Überprüfungen auf großen Unternehmen liegen wird, zumal die Kapazitäten der überprüfenden Behörden begrenzt sind. Dennoch empfehlen wir seitens der IGEPHA, dem Thema Aufmerksamkeit zu widmen. Wird auf einen Fall von Zwangsarbeit hingewiesen, etwa durch eine NGO, so muss die Behörde aktiv werden.
Noch sind nicht alle Details zur Umsetzung der Verordnung bekannt. Die IGEPHA wird ihre Mitglieder zeitgerecht über die weitere Entwicklung informieren.