Der hohe Nutzen der Self Care

1,2 Milliarden Mal werden in Europa leichte Gesundheitsstörungen pro Jahr selbst behandelt. Welche Vorteile Self Care für das Gesundheitssystem und jeden Einzelnen hat und welches Potenzial in der verantwortungsvollen Self Care schlummert, haben Wissenschaftler:innen für eine neu veröffentlichte Studie erhoben.

Die Studie „Selbstmedikation in Europa: Sozioökonomische Effekte auf den Einzelnen und die Gesellschaft“ ist kürzlich in einem Online-Artikel im Thieme-Verlag veröffentlicht worden.

Die Studienautor:innen Uwe May, Cosima Bauer, Anissa Schneider-Ziebe und Chiara Giulini-Limbach haben Daten aus 30 europäischen Ländern zusammengeführt und den Wert der Self Care berechnet.

Die Ergebnisse sind beeindruckend: In Europa werden jährlich fast 1,2 Milliarden Fälle leichterer Gesundheitsstörungen durch Self Care behandelt. Dadurch werden 26,31 Milliarden Euro an direkten Kosten und 10,41 Milliarden Euro an indirekten Kosten eingespart.

Jeder Euro für Self Care spart 6,70 für die Allgemeinheit

Im Durchschnitt spart jeder Euro, den eine Konsumentin oder ein Konsument für rezeptfreie Arzneimittel ausgibt, dem jeweiligen nationalen Gesundheitssystem und der Volkswirtschaft 6,70 Euro.

Für die Studie wurden die monetären und zeitlichen Kosten für einen Hausarztbesuch der Option der Self Care mit rezeptfreien Arzneimitteln gegenübergestellt. Gäbe es in Europa keine Self Care, so wären zusätzlich 120.000 praktische Ärzte erforderlich, um den Andrang in den Ordinationen bewältigen zu können. Oder jeder Arzt und jede Ärztin müsste täglich um 2,4 Stunden länger arbeiten.

Ein Gewinn an Lebenszeit

Dazu kommt, dass sich jede Person, die sich für Self Care anstatt des Hausarztbesuchs entscheidet, 106 Minuten für Wegzeiten, Wartezeiten und die Dauer der ärztlichen Behandlung erspart. Ein Teil dieser wertvollen Lebenszeit ist Arbeitszeit, weshalb die Self Care auch einen enormen volkswirtschaftlichen Effekt hat.

Jedes Mal, wenn Personen Self Care anwenden, anstatt einen Arzt aufzusuchen, wird das öffentliche Gesundheitssystem entlastet. Im Durchschnitt der 30 Länder, die für die Studie untersucht wurden, sind das mehr als 14 Euro pro Behandlungsfall.

Und wie ist die Situation in Österreich?

Das Autorenteam hat auch Berechnungen für die Situation in Österreich durchgeführt und festgestellt, dass hierzulande durch Self Care erhebliche Einsparungen für das Gesundheitssystem entstehen.

Entscheidet sich eine Person für Self Care anstelle eines Arztbesuchs, so hat dies in Österreich folgende Effekte:

  • Ärztliche Arbeitszeit im Umfang von durchschnittlich 11,5 Minuten wird eingespart.
  • Die Gesundheitsversicherung spart sich 25 Euro.
  • Die nationale Volkswirtschaft profitiert, weil die Person nicht während der Arbeitszeit zum Arzt gehen muss und schneller mit der Behandlung der Krankheit beginnen kann. Dadurch wird ein Fernbleiben vom Arbeitsplatz in der Dauer von durchschnittlich 23 Minuten pro Fall vermieden, das entspricht einem Wert von 12,50 Euro pro Behandlungsfall.

28,6 Millionen Mal pro Jahr werden die Österreicher:innen selbst aktiv, wenn es um die Behandlung geringfügiger Erkrankungen wie Schnupfen, Halsweh, Kopfweh oder Rückenbeschwerden geht. Sie betreiben Self Care, weil sie – bei Bedarf mit Unterstützung der Apotheke – selbst in der Lage sind, die richtigen Maßnahmen zur Linderung ihrer Beschwerden zu ergreifen.

Jährliche Einsparungen von mehr als einer Milliarde Euro

Self Care spart dem österreichischen Gesundheitssystem jährlich mehr als 717 Millionen Euro. Zusätzlich spart sich die Volkswirtschaft jährlich durch das Vermeiden von Produktionsausfällen gut 359 Millionen Euro.

Doch damit nicht genug: Die Wissenschaftler stellten auch fest, dass bei der Self Care noch viel Luft nach oben ist. Jeder vierte Hausarztkontakt könnte problemlos durch Self Care ersetzt werden. Das ist ein Spitzenwert in Europa und darauf zurückzuführen, dass die Self Care in Österreich noch immer deutlich ausbaufähig ist.

Die Studienautor:innen sehen in Österreich zum Beispiel große Entwicklungspotenziale hinsichtlich der Verfügbarkeit rezeptfreier Arzneimittel: Viele Substanzen, die in anderen europäischen Ländern rezeptfrei erhältlich sind, werden in Österreich entweder gar nicht oder nur rezeptpflichtig angeboten.

Andererseits gelte es, so das Forscher-Team, Anreize für die Konsument:innen zu schaffen, um sie für Self Care zu motivieren. Ebenso müssten Apotheker:innen darin unterstützt werden, dass sie Hilfestellung bei der Self Care leisten.

Egal aus welcher Perspektive betrachtet, Self Care ist immer mit positiven Effekten verbunden! Wir von der IGEPHA setzen uns dafür ein, dass die Potenziale der Self Care noch nachhaltiger genützt werden.

Weitere Informationen:

Studie im Thieme-Verlag

Bericht der AESGP

Podcast-Beitrag der IGEPHA mit den Studienautoren Uwe May und Cosima Bauer