eHealth: Was brauchen die Bürger:innen?

Akteure in Sachen Gesundheit sind zuallererst die Bürger:innen. Wird das in der neuen eHealth Strategie des Gesundheitsministeriums ausreichend berücksichtigt? Eine kritische Betrachtung.

Das Gesundheitsministerium hat im Juni 2024 eine eHealth-Strategie veröffentlicht. Ich habe das Papier gelesen und überlegt, was die neue Strategie leistet, wenn man sie aus dem Blickwinkel der Bürger:innen betrachtet, die sich aktiv um ihre Gesundheit kümmern wollen.

Self Care mit rezeptfreien Arzneimitteln und Gesundheitsprodukten sind der erste Schritt zur Gesundheit. Digitale Lösungen unterstützen bei der Self Care und werden tagtäglich selbstverständlich genützt. Neben „Dr. Google“ haben sich KI-Programme in der digitalen Gesundheitsberatung etabliert, Gesundheits-Apps, Fitness-Tracker und digitale Gesundheitstagebücher bieten eine Fülle von Möglichkeiten, die eigene Gesundheit zu überwachen, zu steuern und zu beeinflussen.

Die eHealth-Strategie definiert „E-Health“ in Anlehnung an die WHO als „kosteneffiziente und sichere Nutzung von Informations- und Kommunikationstechnologie zur Unterstützung der Gesundheit und gesundheitsnaher Bereiche einschließlich Gesundheitsdienstleistungen, Gesundheitsüberwachung sowie gesundheitlicher Aufklärung, Bildung und Forschung“. Richtig wird erkannt, dass „durch die Anwendungen, die die Verfolgung von Symptomen oder die Überwachung von Gesundheitsparametern ermöglichen, Erkrankungen besser gemanagt und die Eigenverantwortlichkeit von Patientinnen und Patienten gestärkt werden [können]“. (BMSGPK (2024): eHealth-Strategie Österreich. v1.0 im Juni 2024. Bundesministerium für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz, Wien, S. 12, S. 19).

Gar nicht erst krank zu werden, ist das Ziel

Abgesehen davon, dass hier dezidiert nur von den „Patient:innen“ die Rede ist, eine korrekte Erkenntnis. Self Care wird jedoch nicht nur von bereits Erkrankten praktiziert, sondern auch zur Vorbeugung von Krankheiten und zur Stärkung der Gesundheit – ein enorm wichtiger Aspekt, der breite Aufmerksamkeit verdient, wenn man das Ziel einer in möglichst guter Gesundheit immer älter werdenden Gesellschaft vor Augen hat.

Ich kann nicht oft genug daran erinnern: Es liegt an den Menschen selbst, für ihre persönliche Gesundheit aktiv zu werden. Um unser Wohlbefinden geht es täglich, wir sind gefordert, die richtigen Entscheidungen zu treffen, unseren Körper zu beobachten, bei Bedarf Gesundheitsfragen abzuklären, die passenden Lösungen zu suchen, Hilfe in Anspruch zu nehmen, wenn es erforderlich ist.

Mehr Gesundheitskompetenz, bessere Informationen

Was den Bürger:innen dabei hilft, um diese grundlegenden Gesundheitsaktivitäten bestens ausführen zu können? Sie brauchen ausreichend Gesundheitskompetenz und Zugang zu Informationen, die niedrigschwellig und in zuverlässiger Qualität zur Verfügung stehen.

Die eHealth Strategie enthält folgende Vision für 2030: „Im Jahr 2030 ist das öffentliche österreichische Gesundheitswesen von der Prävention bis zur Nachsorge nach dem Prinzip „digital vor ambulant vor stationär“ gestaltet. Die digitalen Angebote verbessern die Zugangsmöglichkeiten, die Versorgungsqualität und die Informationsbereitstellung.

Zustimmen kann ich der Aussage, dass digitale Angebote grundsätzlich geeignet sind, die Zugangsmöglichkeiten zu Gesundheitslösungen zu verbessern. Was ich aber in dieser Vision vermisse, ist die tragende Säule der Self Care als erster Schritt zur Gesundheit. Daher lautet mein Vorschlag für die ideale Abfolge der Ebenen der Gesundheitsaktivitäten: Digital und/oder Self Care vor ambulant vor stationär.

900 von 1.000 Fällen der Eigenversorgung zugänglich

An dieser Stelle erinnere ich an das enorme Volumen an Gesundheitsfällen, die der Self Care und Consumer Health Care zugänglich sind. Von 1000 Gesundheitsproblemen erfordern gemäß einer sozialmedizinischen Faustregel…

  • 900 – Eigenversorgung
  • 90 – hausärztliche Versorgung – Primärversorgung
  • 9 – ambulante Fachversorgung
  • 1 – stationäre Versorgung

Daraus ist erkennbar, wie groß das Potenzial der Self Care und Consumer Health Care ist. Die Bevölkerung darin zu unterstützen, attraktive digitale Angebote zur Stärkung und Verbesserung ihrer Gesundheit zu nützen, sollte ein zentrales Anliegen der eHealth Strategie sein.

Augenmerk legt die eHealth Strategie auf die Stärkung der digitalen Gesundheitskompetenz als Voraussetzung für die adäquate und verantwortungsvolle Nutzung von digitalen Angeboten. Studien haben gezeigt, dass es bei der Gesundheitskompetenz insgesamt und bei der digitalen Gesundheitskompetenz im Speziellen großen Aufholbedarf gibt. Wenn auf diesem Gebiet Fortschritte erzielt werden, ist dies aus Sicht der Consumer Health Care-Anbieter nur zu begrüßen.

Inhalte müssen ansprechend gestaltet sein

Gleichzeitig muss in die digitalen Angebote, insbesondere in die Qualität, Verständlichkeit und Attraktivität von digital verfügbaren Gesundheitsinformationen investiert werden. Die Tools, die die Österreicher:innen nutzen sollen, um ihre Gesundheit souverän managen zu können, müssen so gut konzipiert sein, dass sie ganz selbstverständlich als bevorzugte Anlaufstelle genützt werden.

Es gilt, sich immer wieder in Erinnerung zu rufen, dass es um die Bürger:innen und deren Gesundheit geht. Deren Blickwinkel einzunehmen, kann ich für alle Gesundheitsstrategien nur empfehlen.