Husten, Schnupfen, Sodbrennen: Das sind häufig auftretende Krankheiten, die in einem ersten Schritt selbst behandelt werden können. Was können wir tun, um Self Care und Consumer Health Care mehr Menschen zugänglich zu machen?
Eine aktuelle Studie des britischen Self Care Verbandes PAGB klingt alarmierend: Nach wie vor gehen viele Menschen mit selbst behandelbaren Erkrankungen zum Arzt oder in eine Spitalsambulanz. Zugleich nimmt das Vertrauen in Self Care bei jüngeren Menschen offenbar ab. [1]
In dem Report zur Studie heißt es: „Nur 32 % der jüngsten Altersgruppe (18–24 Jahre) stimmten stark zu, dass sie sich lieber zu Hause selbst behandeln oder den Rat einer Apotheke einholen würden, anstatt einen Hausarzt oder die Notaufnahme aufzusuchen.“
In älteren Generationen ist dieser Anteil geringer. Aber was bedeutet dieser Trend für die Zukunft? Droht eine noch stärkere Belastung der Gesundheitseinrichtungen? Die Forschungsergebnisse unterstreichen, wie wichtig es ist, Bewusstsein für den Stellenwert der Consumer Health Care zu schaffen und das Vertrauen in die frei zugänglichen Informationen über die Optionen der Self Care zu stärken.
In Großbritannien haben offenbar die Hausärzte die Relevanz der Self Care entdeckt: Bei drei von vier Hausarztbesuchen empfahl der Arzt oder die Ärztin, rezeptfreie Arzneimittel zur Linderung von selbst behandelbaren Beschwerden zu verwenden. Das ist, so PAGB, ein Anstieg um 17 Prozentpunkte im Vergleich mit der Studie von 2023. Außerdem gab ein Drittel der Befragten an, ihnen sei vom Hausarzt oder von Beratungsdiensten des Gesundheitssystems geraten worden, ihr Gesundheitsproblem mit einem Apotheker zu besprechen. [2]
Sehr erfreulich ist, dass sich in Großbritannien neun von zehn Erwachsenen sicher im Umgang mit rezeptfreien Arzneimitteln fühlen.
Und wie ist die Situation in Österreich?
Für Österreich liegen zur Self Care Kompetenz der Bevölkerung Zahlen vor, die einige der in Großbritannien festgestellten Trends bestätigen.
So trauen sich vier von fünf Österreicher:innen die Selbstbehandlung bei Schnupfen zu, bei Kopfschmerzen und Husten sind es zwei Drittel, bei Erkältung und grippalen Infekten 64%. Auch bei Insektenstichen, Durchfall, leichten Verbrennungen, Halsschmerzen, Schnittwunden oder Bluterguss, Nasenbluten und Verstopfung liegt der Prozentsatz derer, die selbst aktiv werden, bei über 50%.
Am wenigsten Selbstvertrauen in die Fähigkeit zur Selbstbehandlung haben die Österreicher:innen bei Geschwüren oder Abszessen, Venenleiden, Bindehautentzündung oder Hämorrhoiden – da liegt der Prozentsatz derer, die sich eine Selbstbehandlung zutrauen, zwischen acht und 18 Prozent. Blasenentzündungen und Ohrenschmerzen werden nur von einem Fünftel in Eigeninitiative gelindert. [3]
Gefragt wurde: Bei welchen Beschwerden und leichten Erkrankungen trauen Sie es sich mit gutem Gewissen zu, diese selbst zu behandeln? Basis: Österreichische Bevölkerung, Angaben in %. Quelle: Spectra Marktforschung. Die Self Care Kompetenz der ÖsterreicherInnen 2022
71% der Österreicher:innen gaben an, leichte Beschwerden selbst zu behandeln. 45% suchen einen Hausarzt auf, 26% gehen zum Facharzt und rund ein Viertel kontaktiert eine Apotheke. 9% der Betroffenen suchen Hilfe in einer Spitalsambulanz und nur 2% gaben an, die Gesundheitshotline 1450 kontaktiert zu haben. [4]
Zwei Drittel sagen, sie behandeln leichte Beschwerden selbst, weil sie diese Beschwerden schon einmal hatten und daher wissen, was sie tun können. Dieses Vertrauen gilt es zu stärken.
Welch enormes Potenzial in der Self Care und der Consumer Health Care schlummert, haben die Gesundheitsökonomen Cosima Bauer und Uwe May eindrucksvoll berechnet. Sie haben festgestellt, dass es in Österreich bereits jetzt jährlich 28,6 Millionen Fälle gibt, wo Menschen mit selbstbehandelbaren Krankheiten keine Arztpraxis aufsuchen, sondern sich der Consumer Health Care bedienen. [5]
Dadurch spart sich die Gesundheitskasse rund 717 Millionen Euro und die Volkswirtschaft profitiert durch eine raschere Rückkehr ihrer Mitarbeitenden an den Arbeitsplatz, was weitere 359 Millionen Euro einspart. [6]
Es ist noch viel Luft nach oben
May und Bauer stellten aber auch fest, dass in Österreich ein beträchtliches zusätzliches Potenzial für die Selbstmedikation vorhanden ist: Jeder vierte Hausarztkontakt ließe sich problemlos durch Selbstmedikation ersetzen. Daraus würden sich weitere Vorteile und Einsparungen ergeben.
„Für Ärzte und Verbraucher bringt Selbstbehandlung eine erhebliche zeitliche Entlastung, sodass nicht zuletzt wertvolle Arztkapazitäten für eine alternative medizinische Verwendung freigesetzt werden“, schreiben May und Bauer in ihrer Studie. [7] Die Gesundheitsökonomen empfehlen, mehr rezeptfreie Arzneimittel am österreichischen Markt verfügbar zu machen und durch gesundheitspolitische Maßnahmen Anreizsysteme für Patient:innen zu schaffen, mehr für ihre eigene Gesundheit zu tun.
Lesen Sie in meinem nächsten Blogbeitrag: Woran leiden die Österreicher:innen am häufigsten und was tun sie, um wieder gesund zu werden?
Quellen:
[1] The Self-Care Census 2024: Consumer trends in self-treatable conditions, confidence and access. Quelle: www.pagb.co.uk/content/uploads/2024/07/Self-Care-Census-Report-2024_FINAL.pdf
[2] Ebenda, Seite 2
[3] Marketingreport. Die Self Care-Kompetenz der ÖsterreicherInnen. Entwicklungen und Trends 2022. Spectra Marktforschung
[4] Die Self Care-Kompetenz der ÖsterreicherInnen. Spectra Marktforschung.
[5] May und Bauer GbR: Sozio-ökonomische Effekte der Selbstmedikation in Österreich, Seite 5.
[6] Ebenda, Seite 7
[7] Ebenda, Seite 8