Ethanol Einstufung als CMR-Stoff? Mögliche Folgen für den Infektionsschutz und die Herstellung von Gesundheitsprodukten

Die Diskussion um die mögliche Einstufung von Ethanol als CMR-Stoff (kanzerogen, mutagen, reproduktionstoxisch) im Sinne der CLP-Verordnung sorgt derzeit für große Unsicherheit in der Gesundheitsbranche. Die Folgen einer solchen Einstufung wären weitreichend: Von Hygieneproblemen in Krankenhäusern bis hin zu erheblichen arbeitsrechtlichen Konsequenzen für Unternehmen in der Gesundheits- und Pharmaindustrie. Doch was steckt hinter dieser potenziellen Neueinstufung, und welche Auswirkungen hätte sie konkret?

Ethanol: Unverzichtbar im Gesundheitswesen

Ethanol ist ein zentraler Bestandteil vieler Desinfektionsmittel und Arzneimittel. Bereits 1888 wurde seine antiseptische Wirkung dokumentiert, und seither ist es weltweit als Wirkstoff in der medizinischen Desinfektion im Einsatz. Es wirkt effektiv gegen Bakterien, Pilze und Viren und ist insbesondere gegen unbehüllte Viren wie Polio wirksamer als alternative Alkohole wie Isopropanol.

Sein breites Anwendungsspektrum umfasst:

  • Händedesinfektion: Ethanol ist Hauptbestandteil vieler Desinfektionsmittel mit optimaler Wirkung bei Konzentrationen zwischen 70-80 %.
  • Flächendesinfektion: Schutz vor Keimübertragungen in medizinischen Einrichtungen.
  • Arzneimittelherstellung: Ethanol dient als Lösungs- und Extraktionsmittel sowie als Konservierungsstoff und ist somit auch als Teil des Arzneimittels zugelassen.
  • Nahrungsergänzungsmittelproduktion: Auch hier wird Ethanol oftmals als Extraktionsmittel beispielsweise für Pflanzenstoffe oder Lösungsmittel für fetthaltige Lösungen verwendet.

Sollte Ethanol als CMR-Stoff eingestuft werden, drohen massive Einschränkungen in diesen essenziellen Bereichen.

Die rechtliche Dimension: Arbeitsrechtliche Auswirkungen in Österreich 

Eine CMR-Einstufung im Sinne der CLP-Verordnung würde Ethanol in das Regelwerk für gefährliche Arbeitsstoffe nach dem österreichischen ArbeitnehmerInnenschutzgesetz (ASchG) überführen. Dies hätte im Groben folgende Konsequenzen:

  1. Strikte Evaluierungspflichten

Arbeitgeber wären verpflichtet, umfassende Gefahrenevaluierungen durchzuführen, einschließlich:

  • Erfassung aller betroffenen Arbeitsstoffe
  • Risikobewertung für Arbeitnehmer:innen
  • Festlegung und Dokumentation von Schutzmaßnahmen
  1. Ersatzpflicht und Einschränkungen in der Verwendung

Falls möglich, müsste Ethanol durch weniger gefährliche Alternativen ersetzt werden. Doch insbesondere in der Desinfektion gibt es bislang keine gleichwertigen Alternativen mit vergleichbarer Wirksamkeit gegen unbehüllte Viren.

  1. Strenge Schutzvorgaben

Sollte eine Substitution nicht möglich sein, würden folgende Auflagen greifen:

  • Verwendung in geschlossenen Systemen
  • Zugangsbeschränkungen für bestimmte Berufsgruppen
  • Pflicht zur persönlichen Schutzausrüstung
  • Dokumentationspflichten für exponierte ArbeitnehmerInnen
  1. Mutterschutz und Jugendarbeitsschutz

Besonders problematisch wäre die Einstufung für Frauen im gebärfähigen Alter: Laut Mutterschutzgesetz dürften werdende oder stillende Mütter nicht in Kontakt mit Ethanol kommen, sofern auch nur ein potenzielles Risiko bestünde. Auch für Jugendliche unter 18 Jahren könnten strengere Beschäftigungsverbote folgen.

  1. Grenzwerte und Gesundheitsüberwachung

Eine Einstufung als CMR-Stoff könnte zusätzliche Anforderungen an Messungen der Arbeitsplatzkonzentrationen im Sinne der Grenzwerteverordnung mit sich bringen. Regelmäßige Untersuchungen zur Gesundheitsüberwachung wären dann erforderlich.

Fazit: Unverhältnismäßige Regulierung mit gravierenden Folgen 

Die geplante CMR-Einstufung von Ethanol beruht nicht auf der professionellen Anwendung in der Medizin, sondern auf allgemeinen Risiken missbräuchlichen Konsums. Dies würde jedoch nicht nur zu einem erheblichen arbeitsrechtlichen Mehraufwand in mit Ethanol arbeitenden Unternehmen führen, sondern auch die Patientensicherheit und Hygienestandards in Österreichs Gesundheitswesen gefährden.

Auch wenn viele Fragen hinsichtlich der der Einstufung noch offen sind, braucht es dringend eine differenzierte Bewertung, die den wissenschaftlichen Fakten Rechnung trägt und das unverzichtbare Einsatzgebiet von Ethanol berücksichtigt. Die harmonisierte Einstufung muss kritisch hinterfragt werden, bevor sie mehr Schaden anrichtet als Nutzen bringt.

Wir seitens IGEPHA setzen uns auf alle Fälle gegen jegliche CMR-Einstufung von Ethanol ein und werden Sie über die weiteren Entwicklungen am Laufenden halten!